Analysen

Die aktuelle (niedersächsische) Situation:

Nach wie vor gilt als Grundmaxime der deutschen/niedersächsischen Pädagogik, dass

  • bei entsprechender Unterrichtung,
  • bei ausreichenden intellektuellen Fähigkeiten,
  • bei keinen gravierenden sozialen Umfeldstörungen
  • und bei normaler Seh- und Hörfähigkeit

alle Schüler prinzipiell in der Lage sind das Lesen, Schreiben und Rechnen zu erlernen. Demgegenüber stehen seit Jahrzehnten weltweit die Erfahrungen vieler Schüler, Eltern und Lehrer, dass trotz der Erfüllung der oben genannten Bedingungen viele Schüler diese Fähigkeiten deutlich verlangsamt oder gar nicht erlernen. Dieses Phänomen ist als Legasthenie (Lese- und Rechtschreibstörung) bzw. Dyskalkulie (Rechenstörung) durch die Weltgesundheitsorganisation der UNO (WHO) klassifiziert und anerkannt. Betroffen von Legasthenie sind ca. 4-5 % aller Schüler, von Dyskalkulie ca. 3-4 %, d.h. bei ca. 1,2 Millionen Schülern in Niedersachsen ca. 100.000 Schüler.

Für die betroffenen niedersächsischen Schüler ist die aktuelle Situation

Unerträglich

Der psychische Druck, der auf legasthenen oder dyskalkulen Schülern liegt, die selbst weder durch Faulheit noch Interesselosigkeit ihre Probleme hervorgerufen haben, ist unerträglich. Sie erleben unverschuldet sowohl im Primarbereich als auch in den weiteren Jahrgängen die Schule als Ort der Niederlagen, des Nichtverstandenwerdens und der Ausgrenzung.
Eine Vielzahl dieser Schüler wird durch diese Schulsituation psychisch krank, was sich von Schulangst und anderen psychosomatischen Erscheinungen bis zu Selbstmordversuchen äußert.
Eltern, aber auch Lehrer, stehen dieser Situation hilflos gegenüber. Lehrer sind in der Regel nicht ausreichend ausgebildet, um eine adäquate Diagnose zu stellen und den legasthenen oder dyskalkulen Schülern substantiell zu helfen.

 

Inakzeptabel

 Erkennt man an,

      • dass eine nicht ausreichende Kompetenz im Lesen, Schreiben und Rechnen in erheblichem Umfang die Teilhabe an Schule/Gesellschaft beeinträchtigt,
      • dass die Betroffenen dieses Handicap nicht verschuldet haben und
      • dass mit speziellen frühzeitigen Förderkonzepten und Lerntherapien das Handicap von Legasthenikern und Dyskalkulikern signifikant reduziert werden kann,

so ist es vollkommen inakzeptabel, dass die Antwort auf die Frage, ob diese Schüler in Niedersachsen ihr Recht auf Bildung verwirklichen können, von der Hartnäckigkeit, der Durchsetzungsfähigkeit und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängt.
Qualifizierter Förderunterricht wird in niedersächsischen Schulen für Legastheniker und Dyskalkuliker nicht bzw. nur sehr, sehr vereinzelt angeboten. Förderunterricht generell, unabhängig von seiner Qualität, findet nur im Rahmen der jeweiligen, in der Regel beschränkten Möglichkeiten der Schule statt. Ein Anrecht auf qualifizierten Förderunterricht gibt es nicht. Dabei besteht Einvernehmen bei allen Fachleuten, dass nur ein solcher den betroffenen Schülern die Teilhabe an Schule und somit den für den Zugang zum Berufsleben notwendigen Erwerb von Wissen  ermöglicht. Betroffene müssen sich entweder an professionelle (kostenpflichtige) Lerninstitute wenden oder werden aufgrund des psychischen Drucks und der damit verbundenen drohenden seelischen Behinderung therapeutisch auf Kosten der Jugendhilfe behandelt.

Sie werden darüber hinaus durch einer Vielzahl von Erlassen in Niedersachsen diskriminiert:

      • Nach wie vor werden Schüler mit einer 6 im Fach Mathematik nicht zum Abitur zugelassen.
      • Rechtschreibleistungen wirken sich auf alle Fächer in der Oberstufe aus.
      • Rechtschreibleistungen werden in allen Abschlusszeugnissen mit berücksichtigt, was die nachfolgenden Berufschancen erheblich beeinflusst.
      • Die Gewährung von Nachteilsausgleich( z.B. mehr Zeit in Prüfungen oder zusätzliche Hilfsmittel) und Notenschutz (die Nichtberücksichtigung der Rechtschreibleistung in der Zensurengebung) obliegt den in der Regel nicht ausreichend qualifizierten Klassenkonferenzen

Unvernünftig

Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes hängt extrem von dem Ausbildungsniveau der nachwachsenden Generationen ab. Einerseits ignorieren wir die Begabungen von bis zu 8% unserer Schüler. Andererseits werden wir durch den Vergleich des Bildungsniveaus im internationalen Umfeld außerordentlich gefordert, die Ausbildung unserer Kinder mit den aktuellen Erfordernissen der gesellschaftlichen Realitäten in Einklang zu bringen.
Es ist wirtschaftlich und gesellschaftlich unvernünftig, die Talente von Legasthenikern und Dyskalkulikern zu missachten, indem ihnen eine adäquate Schulbildung verwehrt wird.

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