Nachteilsausgleich

Im Zusammenhang mit Lernstörungen oder „besonderen Schwierigkeiten im Lesen, Rechtschreiben oder Rechnen“ wird immer wieder das Stichwort Nachteilsausgleich benutzt. Dabei ist vielfach nicht bekannt, was im Einzelnen damit gemeint ist und für wen dies gedacht ist.

Wer hat ein Recht auf Nachteilsausgleich

Nach § 126 Sozialgesetzbuch IX gibt es in Deutschland Vorschriften über Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen (Nachteilsausgleich).
Dieses gilt auch für die niedersächsischen Schulen. Im niedersächsischen Erlass „Schriftliche Arbeiten in den allgemein bildenden Schulen RdErl. d. MK v. 16.12.2004 – 33-83 201 (SVBl. 2/2005 S.75 ) - VORIS 22410 –steht: „5. Für Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen sollen die äußeren Bedingungen (z. B. Dauer, Pausen, zusätzliche Hilfsmittel) bei der Anfertigung bewerteter schriftlicher Arbeiten nach Möglichkeit so gestaltet werden, dass Nachteile auf Grund der Behinderung ausgeglichen werden.“

Aber wann spricht man von einer Behinderung?

Im bundesdeutschen Recht wird die Behinderung im Sozialgesetzbuch IX (dort: § 2 Abs. 1), wie folgt definiert: Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist und länger als 6 Monate besteht.
In vielen Rechtsverfahren ist die Frage, ob bei Lernstörungen dies der Fall ist, mehrfach geklärt worden und nicht mehr strittig. Z.B. „Bei der Legasthenie, die durch fachärztliches Gutachten bestätigt worden ist, handelt es sich um eine Behinderung i. S. d. Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG, auf die im Schulrecht Rücksicht zu nehmen ist“ (VG Kassel, Beschluss v. 23.3.2006, Az.: 3 G 419/06 )

Daraus folgt, dass den Menschen, die von einer Lernstörung im Sinne der WHO betroffen sind, Nachteilsausgleich zu gewähren ist!

Ob eine Lernstörung vorliegt, kann durch ein medizinisches Attest bescheinigt, oder auch für den Lehrer offensichtlich erkennbar sein. Die Entscheidungskompetenz der Klassenkonferenz, ob Nachteilsausgleich gewährt wird, wie sie im niedersächsischen Erlass formuliert ist, beschränkt sich nur auf solche Fälle, wo kein Attest vorliegt. Liegt ein Attest vor, so muss Nachteilsausgleich gewährt werden. Dies ist gängige Rechtssprechung und wird weder von der niedersächsischen Landesschulbehörde noch vom Kultusministerium bestritten. Der Klassenkonferenz obliegt es nur über die Form des Nachteilsausgleiches zu entscheiden. Darüber hinaus kann die Klassenkonferenz für die Schüler, bei denen keine Lernstörung vorliegt, aber deren Leistungsstand aus anderen Gründen nicht den Anforderung genügend sind, Hilfen im Sinne von Nachteilsausgleich gewähren.

Wozu dient Nachteilsausgleich

Der Nachteilsausgleich dient zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile. Das heißt, vorhandene Nachteile sollen durch Maßnahmen ausgeglichen werden, ohne das Prüfungsziel zu verändert. D.h. in der Regel umfass der Nachteilsausgleich nicht die Veränderung der Zensurengebenung (Notenschutz). Dies hat immer eine individuelle Ausprägung, ist alters- und entwicklungsabhängig. Nicht jeder Betroffene hat die gleichen Nachteile in gleicher Ausprägung.

Welche Nachteile hat ein Mensch, der von einer Legasthenie betroffen ist und wie kann ein Ausgleich aussehen? Generell ist es wichtig zu verstehen, dass sich eine Legasthenie nicht nur auf die Rechtschreibung beschränkt. Hier tritt sie zwar am deutlichsten in Erscheinung, sie stellt aber einen grundsätzlichen gehandicapten Umgang mit der Schriftform dar.

Da das Lesen und Schreiben im Mittelpunkt des heutigen Bildungswesens steht, haben Legastheniker ein Handicap beim Zugang zur Bildung!

Dies ist im ganzen Unterricht auszugleichen!

So ist Rücksichtnahme nicht nur in Prüfungs-/Leistungssituation, sondern insbesondere auch im normalen Unterricht (Lernsituation) notwendig.

Nachteil

Ausgleichmöglichkeiten

Texte können nicht in „normaler“ Geschwindigkeit gelesen werden.

D. h. die zur Verfügung stehende Zeit reicht nicht aus, um die Aufgabenstellung zu verstehen und Lerninhalte im normalen Unterricht können nicht vollständig erfasst werden.

Vorlesen der Aufgabenstellung

Gewährung von mehr Zeit zum Lesen

Nutzen von digitalen Texten im Unterricht, diese können von einem Programm vorgelesen werden

Die Fehlerquote beim Lesen ist höher:
D.h. Inhalte und Aufgaben werden falsch interpretiert.

Vorlesen der Texte und Aufgabenstellungen

Nutzen von digitalen Texten im Unterricht, diese können von einem Programm vorgelesen werden

Gedanken und Formulierungen können nicht in „normaler“ Geschwindigkeit verschriftet werden.
D. h. die zur Verfügung stehende Zeit reicht nicht aus.

 Gewährung von mehr Zeit zum Schreiben

Mündliches Abprüfen

Die Fehlerquote beim Verschriften ist höher.
D.h. die Rechtschreibfehler sind hoch.

Gewährung von mehr Zeit zum Korrigieren

Nutzen eines Schreibprogramms mit Rechtschreibhilfe

 Nutzen von Diktier-Software

Das Verschriften ist eine besondere Anstrengung:
D.h. das Schriftbild ist schlechter.

Nutzen eines Schreibprogramms mit Rechtschreibhilfe

 

 

Welche Nachteile hat ein Mensch, der von einer Dyskalkulie betroffen ist und wie kann ein Ausgleich aussehen?

Generell ist es wichtig auch bei Dyskalkulie zu verstehen, dass sich dies nicht nur auf Mathematik beschränkt. Hier tritt sie zwar am deutlichsten in Erscheinung, aber sie stellt einen grundsätzlichen gehandicapten Umgang mit Mengenverständnis und die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division dar.

Nachteil

Ausgleichsmöglichkeiten

Umgang mit Zahlen und Mengen erfordert ein höheres Maß an Konzentration. D.h. die Schüler sind schneller erschöpft.

mehr Zeit bei der Bearbeitung von Klassenarbeiten

die Menge der Aufgaben reduzieren

zusätzliche Hilfsmittel wie den Taschenrechner nutzen

Abzählhilfen erlauben

Die Fehlerquote beim Rechnen und Zählen in allen Fächern ist hoch:
D.h. Aufgabenstellungen, die Zahlenwerte beinhalten, wie z.B. „Nenne fünf….“ werden nicht immer richtig interpretiert.

zusätzliche Hilfsmittel wie den Taschenrechner benutzen

Im Antwortbogen für fünf Antworten Platz halten

Schätzen funktioniert nicht und der Zugang zu Musiknoten, Zahlenwerte und Statistiken gelingt nur schwer.

Reduzierung solcher Anforderungen in nicht mathematischen Fächern bzw. Gewährung individueller Hilfestellung

 

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